Segelohren? Nein! Keine Segel-, sondern Setterschlappohren hab ich! Obwohl, ich muss es zugeben, auf dem einen Bild hängen meine Ohren schon fast über meine Lefzen runter und scheinen sich zum ultimativen Abheben auszubreiten. Aber schau auch hin, wo ich da steh! Auf so einem furchtbaren Alu-Blech-Tisch einer Tierarztpraxis und die haben auch noch in meinen ohnehin schon schmerzenden Ohren rumgepult. Da würde wohl jeder seine Ohren hängenlassen und sich zum Abflug bereitmachen wollen, oder? Gut, es musste sein: ich hab nämlich an den Folgen einer nicht behandelten Mittelohrentzündung zu leiden und sie mussten mir jetzt erst einmal die Auswüchse in einer Operation aus den Ohren entfernen. Eine Mitarbeiterin des Züchters, von dem ich herkomme, führt jetzt noch die Nachbehandlung weiter, da ich noch nicht richtig wie ein Setter in Wald und Wiesen stöbern darf, sondern meine Ohren sauber halten muss. Und weil ich gerade beim Züchter bin, tja, zu dem könnte ich auch ein Buch schreiben, aber ich will mich mal kurz fassen, denn das ist ja Vergangenheit. Außerdem ist er dem einen oder anderen Leser von Hundebeschreibungen hier vielleicht auch schon bekannt. Es ist nämlich dieser 83-jährige alte Mann, der eigentlich nur Irish Setter züchtet, aber in seinen Zwingern auch andere Rassen hält und der jetzt nach dem Tod seiner Frau nur noch „Land unter!“ ruft, sprich: er kann seine Hunde gar nicht mehr richtig versorgen. Aber zu Gute halten muss man ihm doch, dass er mich aufgenommen hat, nachdem ein Jäger mich „ausprobiert“ und als für ihn nicht tauglich befunden hat. Irgendwie vom Regen in die Traufe, aber ich hatte ja Glück, denn ab und zu gibt der alte Züchter doch mal einen Hund ab und dann schlagen die Tierschützer hier zu und holen uns weg aus unserem Elend. Ich bin jetzt auch bei einer Tierschützerin, aber da möchte ich natürlich nicht bleiben, denn ich bin – wie einfach alle englischen Setter – menschensüchtig nach einem Zweibeiner ganz für mich alleine, der sich mit meiner Rasse auskennt, weiß, dass wir Jagdhunde sind und viel laufen und uns bewegen wollen, dass wir auch geistig ausgelastet werden möchten, aber ebenso – und vielleicht am alleralleraller...wichtigsten – am liebsten den ganzen Tag beschmust, bekrabbelt und gestreichelt werden wollen. Ich bin schon durch viele Hände gegangen, aber bisher leider durch keine liebevollen. Aber sie haben mir hier gesagt, das nächste Zuhause wird ein Für-immer-Zuhause für mich liebe, sanfte Settermaus, die sich mit allen anderen Hunden verträgt, werden, in dem es nur fürsorgliche, mich fütternde und streichelnde Hände gibt. Und genau das ist mein Lichtblick! Ich spüre es ganz tief in mir, dass jetzt eine neue Zeit angebrochen ist: Jäger und Züchter gehören der Vergangenheit an und meine geschundenen Ohren werden behandelt. Sie wären schon jetzt als Segelohren einsatzfähig und ich könnte zu dir losfliegen, wenn du nur gleich meine Vermittlerin anrufen.
TIER MERKEN !
